Vor dem Frühstück am Tag vor Weihnachten habe ich mal den ersten Drohnenflug aus dem Garten gewagt. Ich war ja durch den Blick von den Balkons quasi angestachelt.
Tatsächlich war trotz morgendlicher Diesigkeit ganz gut was zu sehen und es war ganz interessant den riesigen, nicht als solchen ausgeschilderten Kreisverkehr vor dem fraccio mal von oben zu sehen, in dessen Mitte alle Straßen nach Mittelmeer- oder spanischen Inseln benannt sind. Jetzt wo ich so darüber nachdenke, gab es womöglich sogar irgendwann mal Pfeile auf der Straße, die die Fahrtrichtung angedeutet haben, die aber inzwischen längst durch ewiges Reifengeratsche weg erodiert sind.
Neben der Malinche waren auch Popo und Izta ganz gut zu erkennen, obwohl die auch hinter einem nach Vulkanstaub aussehendem Schleier steckten, im Gegensatz zum Nebel über der Stadt. Oder vielleicht war es auch einfach nur die Sonneneinstrahlung, die den gelblichen Farbton zu verantworten hatte?
Ein wenig überrascht haben uns die neuen Hochhäuser an der caseta zur Atlixco cuota, die wir ja auch wenigstens ein halbes Jahr lang auf dem Arbeitsweg passiert haben und drumherum auch noch ein Paar Monate. Bis auf das grün-blau verglaste „JV“-Hochhaus waren die 2012 und evtl. auch 2015 grade mal in ihren Anfängen und weiter draußen an der cuota wurden auch noch weitere Türme in die Höhe gezogen, aus denen man wahrscheinlich eine genau so gute Aussicht hat wie mit der Drohne.
In meinem Bestreben ein Drohnenpanorama zu machen habe ich auch ein paar Fotos schräg nach unten auf Lomas blickend gemacht und musste im Nachhinein schmunzeln wie klein einige von den Gärten hinter den Häusern sind. Unser Garten (rosa Matte unten neben der Palme) war da noch recht geräumig, im Gegensatz zu denen am unteren Bildrand mit ihren 3x3m oder so. Aus dem Panorama ist dann jedoch nichts geworden, weil ich noch gar keine weiteren Einstellungen vorgenommen hatte und die einzelnen Fotos somit von der Belichtung her gar nicht zusammengepasst haben.
Während ich so flog waren meine Eltern nochmal beim Chedraui einkaufen und haben neben Frühstück für die Kinder eine Kiste voller Instrumente mitgebracht, auf dass sie sich damit ein wenig vergnügen. Naja, hauptsächlich wohl für Jonathan, handelt es sich bis auf die Triangel um einfache Instrumente wie Maraca, Tambourin und Klangholz.
Gen Nachmittag sind wir alle in den Toyota-Minibus gestiegen, auf den meine Eltern upgraden konnten und der dankbarerweise drei Sitzreihen mit einem Mittelgang à la Flugzeug hat. So musste ich als Fahrnovize nicht ans Steuer bei der verrückten, poblanischen Straßenplanung und dem chaotischen Macho-Verkehr und Myriam konnte trotzdem bei Jonathan sein und ihn bei Bedarf stillen. Sonst schreit er uns üblicherweise die ganze Fahrt die Ohren zu bis er selber schon völlig erschöpft ist, was allerdings gut ne Stunde oder länger dauern kann.
Bewaffnet mit zwei lokalen Telcel-Amigo-SIM-Karten (Tarif: SinLimite mit ganzen 200MB Daten … grenzenlos halt) und einer US-amerikanischen T-Mobile@Work SIM hatten wir diesmal immerhin ein live Google Maps auf unserer Seite, was wir die letzten Male in Mexiko sicherlich auch gut hätten gebrauchen können. Gut, auf dem Rückweg von Valle de Bravo hätte das wohl wenig gebracht, weil in dem von hohen Nadelbäumen bewachsenen Gebirge zwischen Nevado de Toluca und Popo und Izta eh nirgendwo Empfang war, aber ansonsten hätten wir so manche Abbiegung evtl. eher erwischt.
So kompliziert und kurvig sollte es diesmal ja aber eh nicht werden, schließlich wollten wir nur ins Zentrum von Puebla, wo sich der artisanale (das Wort ist im deutschen einfach zu sehr belastet) Glasladen befindet, bei dem meine Mutter sich damals gut eingedeckt hatte und von dem wir dann die schönen Tequila-Gläschen mit Kakteen drin haben durften.
Beim Herausfahren aus dem Nordausgang von Lomas und der Überquerung der Brücke über die Stadtautobahn ist uns aufgefallen, dass es inzwischen einen Fahrradweg inmitten des periféricos gibt, wo vorher nur verdörrtes Gras mit toten Straßenhunden und hin und wieder ner toten Kuh war. Immerhin lobenswert, weil es auch der Fahrradfahrerei auf dem periférico selbst etwas Einhalt gebieten sollte und vielleicht der ein oder andere verrückte Wohlhabende da morgens mit seinem 2000€-Bike zur Arbeit entlang radelt, aber andererseits sich in der Sonne die teilweise extremen Steigungen hoch quälen während links und rechts auf jeweils drei Spuren Autos und schwarzen Rauch spuckende, uralte Lastwagen entlang brettern kann auch nicht so richtig erquicklich sein.
Trotz der Brücke hat man in Richtung Atlixco zumindest ein paar von den chaotischen Fahrmanövern zu vollziehen, um erst auf den periférico aufzufahren und dann zwei mal auf die linkeste Spur zu wechseln (extrema izquierda), um dann unter der Straße links abzubiegen, einen U-Turn zu vollziehen, sich dort einzusortieren, nochmal in Gegenrichtung alle Spuren nach rechts zu überqueren und sofort wieder rechts abzubiegen und das alles während andere genau in die entgegengesetzte Richtung alle Spuren kreuzen wollen, um wiederum ihre Ausfahrt zu bekommen. Ob es da nicht eine einfachere Möglichkeit gäbe? Unterführung? Schlaufe? Mir schauderts, wenn ich an das morgendliche Auffahren Richtung VW-Werk denke, mit dem sich meine Mutter 2,5 Jahre rumschlagen musste, welches man von links in einer Linkskurve duchzuführen hat, wo man dementsprechend genau gar nichts im Spiegel sieht, aber von 20km/h auf 110km/h kommen muss. Immerhin gibt es kein offizielles Rechtsfahrgebot in Mexiko, aber langsamer Verkehr wird doch immer wieder durch Schilder dazu angehalten auf der rechten Spur zu fahren, was meiner Meinung nach impliziert, dass man links schnell fahren könnte.
Zum Glück wollten wir ja eh Richtung Zentrum, konnten also einfach rechts bleiben und mussten nicht beim waghalsigen Überholen und Einordnen in die Sitze gedrückt werden, was auch fürs Stillen im Auto nicht so praktisch ist.
Stattdessen sind wir in die dahintrottende Welle aus nachmittäglichem Verkehr auf der Atlixcayotl eingebogen und hatten dort auch wieder gewohnte Ansichten, wie wenn wir damals nach Angelópolis ins Shoppingcenter sind oder schön Grillfleisch bei Costco geholt haben.
Hinter Angelópolis weht zwischen der Kommunalverwaltung und dem Centro Integral de Servicios eine mexikanische Flagge, die sich auf jeden Fall mit der am zócalo von Mexikostadt messen kann was Größe und Sichtbarkeit angeht. Aber ehrlich, hätte ich so eine kuhle Flagge mit einem derart metalligem Wappen, würde ich sie wohl auch ziemlich groß irgendwo hinhängen. So kann ich sie mir immerhin Dank der Mitpraktikanten damals als jorongo umhängen.
Interessanter wird es dann eigentlich wieder, wenn man von den großen Straßen abbiegt und sich an zich hundert kleinen Geschäften vorbeinudelt, die irgendwie alle mit drei Absätzen Text an der Ladenfront prahlen, die man so schnell gar nicht lesen kann.
Am besten fand ich aber die von Hunger Games inspirierte Carnicería und Taquería „Karness Everdin“ im Erdgeschoss eines winzigen, gequetschten Wohnhauses.
Aber auch insgesamt finde ich die Straßen, abseits von ihrem Belag voller baches, ganz interessant, eben der Architektur drumrum und damit einhergehenden Nutzungsweise geschuldet. Es ist alles etwas wuselig und improvisiert.
Man könnte sagen organisch gewachsen und evolutionär entwickelt.
Um die Ecke vom Glasladen gab es auch gleich mal einen unbezahlten Parkplatz am Straßenrand, von dem man auch noch eine ganz nette Sicht die Straße herunter Richtung Kathedrale und zócalo hatte.
Wir sind aber erstmal in die andere Richtung abgebogen, um nach Jahren mal wieder nach den schicken Gläschen zu schauen.
Für mich war es das erste mal, dass ich tatsächlich mit zum Laden bin. Bislang hatten da nur Eltern und Frau eingekauft und ich von den Ergebnissen profitiert.
Ich war ein wenig enttäuscht, dass man im Laden nicht fotografieren darf, dabei wollte ich natürlich auch ein paar der netten Gläschen zeigen. Kurz später hatte ich mich damit abgefunden eben nur ein Foto der Ladenfront zu zeigen und den Rest zu beschreiben, aber letztlich habe ich dann doch mal gefragt was es mit dem Verbot auf sich hat. Schließlich wäre es ja auch Werbung, wenn die üblichen Kunden nette Glasdesigns auf ihren sozialen Netzwerken teilen und damit vielleicht andere zum Kauf ermutigen.
Das Problem sei wohl aber, dass einige Leute Detailaufnahmen von den Gläsern machen und dann das Design einfach in ihrer China-Knock-Off-Bude drei Dörfer weiter als lokale artesanía verkaufen, was selbstverständlich nicht nett ist. Schlussendlich ermutigten mich die beiden netten Damen hinterm Tresen aber gerne ein paar Übersichtsfotos zu schießen.
Myriam hatte derweil ein paar Trinkgläser mit eingearbeiteten blauen und lila Streifen herausgesucht, meine Mutter hatte Lily vorgeschoben, um ein kleines Kännchen auf den Tresen zu stellen und mich hatten ein paar Mezcal-Jícaras angesprochen. Die normalen, geriffelten sehen irgendwie immer speckig und nach Dritte-Welt-Land aus, aber vielleicht assoziiere ich das nur wegen Filmen wie Salvador oder Under Fire so. Nur die schönen Tequila-Gläser mit einer kleinen, grünen Agave am Boden haben wir nicht wieder gefunden. An ihrer Statt fanden sich kleine Tequila-Gläser mit rotem Rand und einer chile am Boden.
Nun kann man natürlich sowieso nicht beliebig viel Glaswaren in den Koffer packen, auch wenn meine Mutter schon einen Extra-Koffer genau für Mitbringsel besorgen wollte und wir hatten schon mehrere Kilo davon beisammen. Also habe ich mich für die Mezcalgläser entschieden, denn für Tequila haben wir ja immerhin noch die Kaktusgläser daheim in der Vitrine. Nachgefragt habe ich aber trotzdem nochmal. Man muss ja auch für solche Situationen mal sein Spanisch schärfen. Tatsächlich würde es nach den Weihnachtsfeiertagen, respektive schon am 26.12. wieder die Gläser mit Agave geben und wir sollten einfach nochmal vorbei kommen.
Das hat uns dann noch in ein recht nettes Gespräch gebracht und die Damen erinnerten sich wohl sogar an meine Eltern und dass sie vor ein paar Jahren schon mal da waren. Weißnasenbonus. Da stechen wir wohl aus der Masse. Das Tolle ist nämlich, dass die ganzen handgemachten Glassachen für unsere Verhältnisse kaum etwas kosten. Insgesamt haben wir 490$ MXN bezahlt, was bei dem Tageskurs knappe 20€ waren. Und nun hätten wir tatsächlich noch ein paar Tage Zeit nochmal da hin zu fahren. Wohl aber keinen Platz und kein freies Gewicht mehr in den Koffern, um selbst die kleinen Gläschen mitzunehmen, es sei denn wir kaufen uns selbst noch einen Koffer.
Die Glassachen haben wir noch schnell um die Ecke ins Auto gebracht, dann sind wir wieder beim Glasladen vorbei durchs Verkehrschaos und über einen kargen Mittelstreifen, dem man die Trockenzeit durchaus ansieht, in Richtung Zentrum weiter. Auf dem Weg waren einige einsturzgefährdete Gebäude zu sehen, wohl noch den Erdbeben in Oaxaca und Union Hidalgo im Herbst geschuldet.
Viel Buntes, was nach Kolonialzeit aussieht, hatte es wohl auch unbeschadet überstanden oder war inzwischen schon schnell wieder repariert. An der Dulcería tipica wurden uns dann gleich noch ein paar Süßigkeiten zum Probieren angeboten, die vorallem dem Töchterlein gut gefielen.
Direkt daneben beginnt der Straßenmarkt in der Calle 3 Oriente, zwischen Unibibliothek und zócalo. Dort gibt es mehr Massengefertigtes, als man es aus Atlixco gewohnt ist, wo eher Obst und Gemüse ohne Ende zum Schleuderpreis angeboten wird.
Pop culture references gab es auch ein paar, wie das Xenomorph aus Ridley Scotts Alien.
Beziehungsweise den Predator, aus dem gleichnamigen Film mit Arnie.
Oder dieses Parteiprogramm einer gewissen Vereinigung, die ihre Mitmenschen teils als „kleine Halbneger“ bezeichnet. Whoops, was? Ähh ich meine: Leichte Lektüre.
Von dem ganzen Kram hat mich rein gar nichts angemacht, vorallem der bunte Kitsch nicht. Besser fand ich das Fahrrad, das nebenan geparkt stand und mit fünf Front- und sieben Rücklichtern glänzen konnte. Naja und dann noch das saucoole Nummernschild aus Panama hinten dran.
Um die Ecke auf der Calle 6 Sur habe ich dieses mal die Chance ergriffen endlich die Chapulines zu probieren. Dafür war ich 2011 zu feige gewesen und 2015 hatte es sich nicht ergeben, weil wir, wie schon vorher mal geschrieben, fast die gesamte Zeit im Hochland mit fieser Erkältung flach gelegen haben. Eine kleine Portion mit allem habe ich mir bestellt.
So ein wenig die Knusperinsekten mit Chiliflocken, scharfer Soße und Limette futternd bin ich den anderen hinterher weiter die Straße entlang zum nächsten Markt auf der Plazuela de los Sapos, wo wir der Kinder wegen eine Pause an einem Brunnen eingelegt haben.
Dort den Rest etwas piekseriger Krabbelviechter mampfend haben wir noch die mexikanische Variante von Pitbull gesehen.
Und ein paar Meter weiter einen Stand, der mich natürlich sofort angesprochen hat mit alten F-Mount-, Canon-FD- und OM-Zuiko-Linsen, neben ein paar MF-Kameras oben drauf. Bei letzteren habe ich erst gar nicht auf den Preis geschaut, um nicht in Versuchung zu geraten. Lediglich bei den Zuikos habe ich mal geguckt, ob nicht durch Zufall eine der Vergrößerungslinsen mit dabei wäre. Wie zu erwarten gab es jedoch nur langweilige Billigzooms.
Eine Ecke weiter führte unser Weg am Tempelkloster vom heiligen Jéronimo vorbei, von dessen Dach wohl Brocken als auch Taubenkacke herunterfallen konnten, was erklärt warum die meisten Leute auf dem Fahrradweg gelaufen sind, der aber sowieso abseits von Mountainbikes nur von Quads und Offroadmotorräden befahren werden könnte.
Und führte uns zum zócalo mit seinen zich Verkäufern von Spiel, Spaß und Snacks.
Statt in die Kathedrale, sind wir diesmal nur zu Kaffee und Eis eingekehrt und waren nach etwa 15 Straßenverkäufern und Bettlern, die alle unsere Kinder, speziell Lily, angrapschen mussten so genervt, dass wir trotz Mittagshunger nur noch zurück zum Auto wollten.