An unserm zweiten Samstag in Atlixco war Myriam langsam wieder so halbwegs fit genug, dass wir mal wieder in die Stadt fahren konnten. Wenn auch nicht für lange.
Ihr Husten klang immernoch wie der Anlasser von sonem 30 Jahre alten Honda, aber nach eigener Aussage wurde es mal Zeit sich vom Sofa zu erheben.
Also musste Lily seit langem mal wieder in ihre Schale, um sich die 15min. Fahrt ins Zentrum zu geben.
Aber anscheinend war die letzte Fahrt lange genug her und sie hat sich diesmal glaube ich kaum beschwert.
Weil ihre Mama dann doch noch zu wackelig auf den Beinen war und ich ja endlich mal wieder bißchen fotografieren wollte und paar Aufnahmen für das Urlaubsvideo machen, wurde Lily dem Opa umgeschnallt, in der links unten zu sehenden Fly Tai.
Aber diesmal waren wir ja nicht nur aus Spaß an der Freude in der Stadt, sondern hatten auch auf der Agenda, ein paar Briefmarken und Postkarten zu besorgen.
Wir mussten ein bißchen suchen und einmal nachfragen, aber dann haben wir die Post da angetroffen, wo wir sie vor 3 Jahren gelassen haben – vom zócalo den Hügel herauf.
Es ging auch immernoch alles so gemächlich von statten wie gewohnt. Außerdem konnten wir uns nicht mehr so richtig erinnern was Briefmarke heißt. Aber das hält einen ja nicht ab!
Wir habens trotzdem geschafft eine Seite voll von den Teilen zu bestellen, korrekt für Postkarten nach Alemania. Nach 10min. Warten auf das Wechselgeld fiel ihnen dann auf, dass sie keins haben und meiner Mutter, dass sie auch passend zahlen kann.
Fehlten nur noch die Postkarten. Für die sind wir in so eine bunte Gasse herein, in der auch artesanía-Geschäfte sind, wo man so poblanisch, nach alten indígena-Methoden gefertigte Dinge kaufen kann.
Während meine Eltern bei einer korpulenten, kleinen Frau, die mit ihrer wallenden, bunten Kleidung perfelt in so ein artesanía-Geschäft gepasst hat, nach Postkarten fragten, bin ich ein bißchen rumspaziert und in einem Hauseingang auf Vulkanbier gestoßen.
Da wurde ich auch gleich reingewunken, ich könnte ja die Treppe hoch zum Fotografieren und gleich ins Restaurant kommen …
Dort wurde mir die Palme gezeigt. Wohl ein ganz besonderes Exemplar, weil in Puebla nicht heimisch. Heißt Hand oder Blatt Gottes oder so. Wie denn auch anders, bei der ganzen, fleißgen Missionierung?
Als der Kellner anfing die Weinkarte runterzurattern wurde es mir doch zu bunt und ich musste mir mal Gehör verschaffen, dass ich eigentlich nur Interesse an in Flaschen abgefülltem Vulkangetränk habe und mich nicht für einen Restaurantbesuch belatschern lassen wollte. Hab ich mich also seinen gierigen Kellnerklauen entrissen und angekündigt, ich würde später für ein paar Flaschen gar köstlicher Gerstenkaltschale zurückkehren.
Schon kurz nach Durchschreiten der Tür ist mir dann wieder eingefallen, dass es Myriam ja nicht so gut geht und wir mit unserem Ausflug auf geborgter Zeit wohl später keine Zeit mehr haben würden, da noch Besorgungen zu machen.
Aber da es ihr vorerst vermutlich gut ging, auf dem Italian Coffee am zócalo, sind wir wenigstens nochmal bißchen das Gässchen weiter hoch, weil zumindest ich da noch nie lang gelaufen bin, aber mit Rafael beim Grillen die Woche vorher drüber gesprochen habe. Denn der war zufälligerweise gar nicht lange vorher mit seiner Familie in Atlixco gewesen und hatte sich genau dort rumgetrieben.
Weil man davon nie genug haben kann, war hinter dem gelben Tor zwei Fotos weiter oben diese Kirche mit aufwändig gestalteter Fassade zu finden. Naja, was man eben so macht, wenn man bißchen freie Zeit hat.
Mir fällt beim Schreiben grade mal auf, dass die Bilder ein bißchen wolkiger und düsterer aussehen, als sonst. Beinah regnerisch-kühl. Das ist natürlich nicht so. Es war trotzdem frühlingshaft T-Shirt-warm, war nur grade mal bißchen bewölkt wieder. Weiterhin seltsame Sache so in Atlixco.
Weil wir Myriam schon ein Weilchen hatten warten lassen, wollten wir uns auch mal Richtung zuckrige Sahne-Kaffee-Eis-Matscherei begeben und haben dabei noch diesen wunderschönen Aushang bei einem Fotostudio(?) gesehen.
Da haben wir mit Lily mal schön nen großen Bogen drum gemacht.
Auf dem Weg zurück durch die Gasse musste ich so in mich hineinschmunzeln, als ich das ausgekippte Wischwasser gesehen habe. Wieder sowas Typisches, was man schon vergessen hat.
Postkarten brauchten wir zu dem Zeitpunkt aber immernoch. Gefunden haben wir die bei so einer kleinen Eisdiele, durch den Markt südlich vom zócalo, die komplett Beatles-gestyled ist. Also überall Poster, Replicas von den Gold- und Platinalben, musikalische Untermalung und was es nicht alles gibt. Hat man alles dort gefunden, wenn man ein Eis oder ein paar Postkarten holen wollte.
Leider waren die größtenteils minderhübsche Handyfotos, die in Postkartengröße ausgedruckt waren. Ein paar ziemlich schöne sind auch dabei gewesen, die hab ich mir dann schnell geschnappt. Ansichten vom Popo mit dem Atlixco-Hügel drauf und solcherlei Sachen.
So ausgerüstet haben wir dann Myriam beim Italian Coffee getroffen, uns die besagten Kaffeekreationen besorgt und dort noch ein bißchen auf der erhöhten Terasse gesessen, die ich natürlich wie geplant dafür genutzt habe Leute mit dem Tele auszuspionieren, bzw. von dort runterzufilmen.
Ein öffentlich verfügbares WLAN gab es auf Nachfrage auch, sodass ich mal wieder Fotos und Blogposts hochladen konnte (zu Hause fehlte ja das Interwebs) während Matthias mit Lily durch die Gegend gelaufen ist, die dann mal ein kleines Nickerchen eingelegt hat.
Nachdem wir etwas erfolglos versucht haben den Fragebogen für die Hochzeitsfotografen auszufüllen (uns fehlte noch der gesamte Ablaufplan für den Tag), sind wir dann auch wieder los und noch kurz bei der Bodega rein. Ich wollte ja zumindest ein mal mit in diesem Urlaub, um auch mit eigenen Augen nach Chilorio zu gucken. Gab es aber wirklich nicht. Ansonsten hatte sich eigentlich gar nichts verändert, die letzten Jahre. Alles stand noch am gewohnten Platz und meine Kamera musste auch etikettiert werden. Könnte ja sein, ich hätte die da mitgenommen!
Abends waren wir noch bei den schon vorher erwähnten Nachbarn Kerstin und Ernst „Ernesto“ eingeladen zum Grillen. Die haben ein echt schönes Haus in El Cristo bezogen, mit Blick auf einen kleinen See, einer wunderbaren Terasse und einem großen Garten mit Pool davor.
Da gab es neben leckeren Salaten haufenweise Arrachera, sodass ich am Ende des Abends trotz meinen dem Übergewicht angepassten Klamotten nochmals aus allen Nähten geplatzt bin und nur ein paar Tequilas gegen das Völlegefühl helfen konnten.