Zum ersten Weihnachtsfeiertag waren wir bei Doris nach El Cristo eingeladen. Doris hatte schon lange im Voraus angekündigt, dass es an dem Tag bei ihr einen Gänsebraten mit Klößen geben würde, was natürlich gut zu Weihnachten passt, auch wenn es warm und sonnig ist und wir haben uns schon gefreut wieder mal ins fraccio zu fahren, wo wir uns ja auch schon mal eingelebt hatten und irgendwie zuhause fühlten.
Also wollten wir uns am Nachmittag des 25.12. über den alten Nachhauseweg von der Planta über die Atlixco cuota mit ihrer Aussichtsplattform und der schönen Sicht auf die Vulkane dort hin begeben. Nur leider gab es ein Problem. Wie auch am Vortag wollten wir im Minibus meiner Eltern fahren, weil sich dass als praktisch erwiesen hatte. Dieser wollte jedoch nicht anspringen. Nachdem die Kinder sicher in ihre geliehenen Sitze gesetzt und angeschnallt waren stellte sich heraus, dass anscheinend über Nacht die Batterie den Geist aufgegeben hat, was sich durch einen aggressiv knatternden Starter ohne Zündgeräusch bemerkbar machte, welches dem Töchterlein direkt mal einen kleinen Schrecken eingejagt hat.
In Mexiko muss man mit sowas wohl rechnen, hatten wir schließlich in BCS auch schon erlebt, wo wir uns auf dem Rückweg aus San Carlos zweieinhalb Stunden lang auf der Landstraße in der Dunkelheit stehend mit einer dämlichen Hotline von Europcar und einem genauso dämlichen Entsandten derer rumschlagen mussten, bevor wir die restlichen vier Stunden Weg zum Hotel in einer anderen Schrottkarre zurücklegen durften.
Da ist es schon angenehmer, wenn das Auto am sonnigen Nachmittag in Lomas nicht angehen will und man noch einen Zweitwagen (unseren gemieteten VW Vento) zur Verfügung hat. Da passen nur leider keine vier Erwachsenen und zwei Kinder rein, wie in den Toyota. Also mussten wir uns aufteilen, meine Eltern ins Taxi und wir in den Vento.
Myriam fährt schon länger und allein dadurch auch besser als ich, hat abseits davon vermutlich auch das bessere Temperament fürs Autofahren und musste somit ans Steuer, mit Lily als Beifahrerin, während Joni und ich uns wie schon auf dem Weg vom Flughafen auf die Rückbank sortiert haben. Das hat immer den Nachteil, dass Joni schnell ungehalten wird und schreit was das Zeug hält, weil er es in der Babyschale oder in diesem Fall dem Babysitz, doof findet und ich ihn nicht wirklich trösten kann. Im Gegenteil, sobald ich ihn angeschaut habe, hat er meistens noch stärker angefangen zu schreien und zu weinen. Papa ist halt doof.
So sind wir also mit lauthals schreiendem Kind den Hügel mit Steinbruch zwischen Puebla und Atlixco hoch, an einem sich an der Plankgrenze entlang langsam bewegenden, von Heisenberg quasi als nicht detektierbar beschriebenen, Pepsilaster vorbei, dessen Motorleistung definitiv nicht für die Hochlandstraßen gemacht war und dann die lange Rampe ins tiefer gelegene Atlixco runter, auf der man kein Gas geben braucht und streckenweise schön auf Izta und Popo gucken kann.
Natürlich ist das ganze nochmal schöner, wenn man kurz vor sechs dort entlang rollt, während die Sonne hinter dem linken Fuß des Popos untergeht und ihr Licht idealerweise durch Dunst und Vulkanasche gestreut und rötlich gefärbt wird während man über die silhouettierten Hügel der tierra caliente schaut, but oh well.
An den Seiten der cuota wurde natürlich wieder kräftig gekokelt, sprich Felder brandgerodet, sodass wir nicht nur eine große Rauchfahne in der Ferne sehen konnten, sondern der Popo sich in guter Gesellschaft wusste. Das Leben ist ein Fraktal … oder so.
Etwa eine halbe Stunde haltloses Geschrei, Schnodder und Tränen später waren die Ohren nicht nur durch den Höhenunterschied leicht taub und wir am Eingang angekommen. Hinter uns ein Taxi, in dem, Überraschung, meine Eltern saßen!
Die vigilancia ließ sich bei weitem mehr Zeit, als in Lomas, um zu kontrollieren wer da so in den Golf Club hinein möchte. Obwohl wir wohl durch Doris angekündigt waren, dauerte es noch eine ganze Weile bis wir passieren durften und Joni sich seinem Ziel näher wusste. Überhaupt gar nicht anstrengend, mit einem verzweifelt schreiendem Kind hinten im Auto zu warten.
Dafür waren wir wenige Minuten später an Doris‘ hübsch mexikanisch gehaltenem, aber doch von innen hellem Haus angekommen wo sich die Lage natürlich schnell entspannte, sobald der Sohnemann bei seiner Mutter war.
Doris hatte uns schon längst erwartet und wusste wohl noch nichts von Beschwerlichkeiten mit dem Fortbewegungsmittel, dank Highspeed-Internet von Telcel, was Whatsapp-Nachrichten anscheinend erst dann überträgt, wenn man sich im 5m-Umkreis des Empfängers befindet. So ist man schon drauf eingestellt von der entsprechenden Person was zu hören. Meine T-Mobile-SIM aus den USA hat da etwas besser funktioniert, obwohl sie das selbe Netz zum Roaming nutzt.
Entsprechend wurde sofort mit dem Auftischen des Festmahls begonnen, welches wir uns gut schmecken ließen.
Im Anschluss haben wir es uns auf der Veranda gemütlich gemacht während die Kinder sich ein wenig den Garten angesehen haben.
Auf der Laterne hinter der Gartenhecke ließ sich einer der flatterhaften Kardinale lange genug nieder, dass ich meinen 2x-Telekonverter hinter das 70-200er klemmen und ihn fotografieren konnte, entgegen meiner damaligen Versuche mit der Russentonne, die anscheinend so furchteinflößend aussieht, dass die kleinen Viecher sofort die Flucht ergriffen haben, wenn diese auf sie gerichtet wurde.
Der alten Zeiten willen und auf Myriams Andrängen hin haben wir mit den Kindern noch einen Spaziergang entlang des Randes von El Cristo begonnen ohne so richtig auszuformulieren wie lange oder weit oder wo hin wir gehen wollten.
Letztlich führte unser Weg bis zum alten Haus meiner Mutter und dem ihrer Nachbarn, den Liebermanns. Wohingegen in letzterem tote Hose war, wurde in ersterem eine große Weihnachtsparty gefeiert, welche sich laut Doris in eine lange Reihe aus Parties in dem Haus eingliedern kann.
So vom Ehrgeiz gepackt fiel uns der Rückweg umso schwerer, zumal das Töcherlein keine Lust mehr hatte auf meinen Schultern zu sitzen, es inzwischen dunkel war und ich auch eigentlich keine Lust hatte sie den ganzen Weg zurück auf dem Arm zu tragen, der mir danach wohl abfallen würde. Außerdem wären wir natürlich gerne einfach wieder im paseo del cristo 814 eingezogen, statt als Fremde wieder von dannen zu ziehen.
Mit einem nörgelnden Kind an Myriams Hand und einem fertigen auf ihrem Rücken haben wir den etwas bedrücklichen Weg hinter uns gebracht und Doris und meine Eltern, die wir bei Kaffee und Stollen verlassen hatten, bei Tequila und Zigarette wieder vorgefunden.
Weil die Stunde langsam spät und die Kinder müde waren, haben wir uns kurz später schon ins Auto gesetzt, bzw. meine Eltern von Doris ein Taxi rufen lassen und haben dankbar und müde die Heimfahrt angetreten. Leider hatten wir die Rechnung ohne die Mexikaner gemacht, die am nächsten Tag schon wieder arbeiten oder zumindest daheim sein mussten und sich ebenfalls am Abend des 25. in Richtung Puebla begeben haben.
Jene stauten sich nämlich schon mehrere Kilometer vor der caseta auf der cuota zurück, wodurch wir noch etwa eine Stunde mit durchgängig schreiendem Joni da hin gekrochen sind, während neben uns die ganze Zeit die ebenfalls in Lomas befindlichen Sonata-Türme und ihre Hochhausnachbarn hämisch über uns trumpften. So nah dran und doch ewig weit entfernt.
Immerhin hat das Auto fein durchgehalten, im Gegensatz zu einigen unserer Stau-Nachbarn und wir konnten kurz hinter der caseta den komischen Quatsch mit kurz auf den periférico rauf einreihen und dann direkt wieder herunter fahren machen, um dann wieder ordentlich durchgestresst in Lomas anzukommen, wo ich mir erstmal ein Bier geöffnet habe nach dem ganzen Gejaule.
Meinen Eltern, die wenig später ankamen, war es auch nicht besser ergangen. Als nämlich deren Taxifahrer den Stau bemerkte hat er, estilo mexicano, auf der Autobahn gewendet, ist nach Atlixco zurück und dort auf die staatliche Fernstraße, die libre, gefahren. Diese ist allerdings wie üblich alle paar Meter mit topes gesäumt, die teilweise dank ihrer Form, teilweise dank Höhe oder einfach durch fehlende Markierung Fahrer und Fahrzeug, bzw. in diesem Fall auch die Insassen fordern. Jenes Problem ist der Taxifahrer angegangen, indem er einfach wie von der Tarantel gestochen beschleunigt und kurz vor jedem Tope wieder abgebremst hat.
Das ist speziell als psychologische Folter wirksam, weil die meisten Taxis im Hochland lediglich für den Fahrer einen Sicherheitsgurt besitzen und sonstige im Fahrzeug befindliche Personen auf ihre Reflexe oder eventuelle Airbag-Implantate angewiesen sind.
Den Abend beendet haben wir dann abermals mit Marco Polo auf Netflix und ein paar mehr Bier, Wein und Mezcal.