Bluttest, zweiter Versuch. Nach einer weiteren Nacht mit kleiner Wachphase irgendwann gegen drei oder so machte Myriam zum Aufstehen ordentlich Dampf, dass ich aus den Federn kommen solle, damit wir gleich morgens zu unseren prenuptiales gehen können.
Denn Myriam ist so eine, die kann nicht ohne Frühstück. Mir im Gegensatz ist Frühstück eigentlich eher lästig, wenn es schon vor um 10:00 oder so sein muss. Aber wir durften ja vor dem Test nichts essen, also hieß es auf und los.
Das Blutabnehmen ansich ging wie erwartet, bei Myriam wurde erst am einen Arm gesucht, dann am anderen, dann wieder zurück und letztlich wurde nicht aus der Ellenbeuge, sondern schön aus der empfindlichen Hand genommen, wo kaum Polster ist. Das hat dann auch ein kleines Weilchen gedauert, was uns beiden etwas zugesetzt hat, wo wir so gar keine Fans vom Blutabnehmen oder generell Spritzen sind. Ich bin derweil in dem kleinen Raum rumgehüpft wie ein Flummi (oder ein Bekloppter; wahlweise beides), weil sich das zusammen mit Lily – die bei den Großeltern en casa geblieben war – bislang immer als sehr gute Kreislaufübung erwiesen hat. Tatsächlich scheint es zumindest so, als hätte das geholfen. Bei mir musste die klitzekleine Mexikanerin gar nicht lange suchen und nach dem Piekser hat es auch gefühlt nur grade mal eine halbe Minute gedauert, bis sie genug vom Lebenssaft hatte. Puh. Glimpflich verlaufen!
Danach sind wir flink zurück nach Hause und haben unser feines Obstsalatfrühstück – von dem ich wohl auch nochmal ein Foto machen könnte – bereitet und ordentlich reingehauen. Als Stärkung nach dem Stress am frühen Morgen.
Danach sind wir wieder zum Clubhaus, um wie zuvor nach Rechnungen für die Hochzeit zu gucken und diesmal auch nen Saft zu trinken. Ich habe so ziemlich die ganze Zeit dort unterm Sonnenschirm damit verbracht zu versuchen, eine FTP-Verbindung zu unserem Server zu bekommen, um die Fotos für den ersten Blogeintrag hochzuladen. Das glückte auch nach einer Stunde noch nicht. Keine Ahnung was da los war, auf jeden Fall wollte es nicht. Ich hab das bloggen in „live“ (schreibe sowieso offline im Haus, als Tagebuch für uns) schon aufgegeben gehabt, da bin ich auf den Trichter gekommen, den Text einfach zu kopieren und die Bilder dann händisch per WordPress einzufügen. Glücklicherweise hat das so gut funktioniert, dass ich die Bilder einfach als Schwall in die Medienbibliothek laden konnte und dann problemlos mit einmal Text-Ersetzung die URLs umgebogen hab. Und schon war ein Blogpost live. Manchmal sind deine Doofheiten gar nicht so doof, WordPress.
Aber genug der technischen Einzelheiten. Reicht wohl zu sagen, bloggen geht schon irgendwie, solange man immer mal bißchen WLAN zur Verfügung hat.
Ich frage mich ja immernoch, was diese seltsamen Schoten / Kolben an den Bäumen da sind.
Als Lily, die eigentlich schlafen sollte, etwas ungemütlich wurde, sind wir wieder abgezogen und haben noch Doris einen kurzen Besuch abgestattet. Auf dem Weg ein lila Baum am Straßenrand.
Wieder zurück zu Hause hat Lily noch ein ganzes Weilchen Mittagsschlaf gehalten, was mir Gelegenheit zum Fotos bearbeiten und machen gab. Direkt am Garten treibt sich nämlich hier immer einer von diesen Arschlochvögeln rum, die mir das erste mal immer entwischt waren, wenn ich sie fotografieren wollte. Diesmal konnte ich mit gemütlich von der Veranda knipsen, mit dem geliehenen Tele-Objektiv.
In der großen Palme vorm Haus war mir bei der Motivsuche noch so eine ganz feine Wabe aufgefallen. Ich glaube, ich möchte gar nicht wissen was für Viechter daraus schlüpfen. Das sind doch bestimmt irgendwelche höchst aggressiven Miniwespen oder sowas. Dafür hat uns Doris gestern informiert, dass es in beinah ganz México keine Zecken gibt. Nur im Süden, in Chiapas, wo es wohl Rinderherden gibt, an denen die sich sattsaugen können. (Auf Arbeit würde hier ein „Deine muddah“-Witz folgen.)
Nachmittags sind wir wieder nach Atlixco reingefahren, um, wie auch lang ersehnt, auf den mercado zu gehen und Nachschub an Avocados zu holen.
Irgendwie machen wir uns derzeit eher so kleine Ziele, aber ist auch schön.
Die ganze Fahrerei war ja damals schon anstrengend, wenn auch die Ziele immer gelohnt haben, aber nun mit Lily können wir uns das eigentlich sowieso abschminken. Da können wir froh sein, wenn es ne halbe Stunde im Auto klappt.
Auch seltsam, dass die Babyschalenhersteller es nicht schaffen, sich mal Gedanken zum Temperaturausgleich von so kleinen Menschen – also ich meine nicht Tyrion Lannister – zu machen.
In Deutschland geht es ja im Herbst und Winter noch, wenn wir Lily nicht allzu viel anziehen, aber hier bei dem wunderbaren Klima ist es eindeutig viel zu warm in dem verdammten Ding.
Das aber natürlich abseits davon, dass man in der Schale weniger Bewegungsfreiheit besitzt, als in der Holzklasse vom Flugzeug. Da würde ich auch ne Macke kriegen.
Aber wie gesagt, damit kann man ja rechnen und so viel wie wir schon gesehen haben, können wir auch glaube gut mit unseren kleineren Touren hier in der Umgebung zufrieden sein. Vorallem, da Atlixco auch so schön ist und man z.B. im mercado ja immer wieder irgendeinen neuen Stand entdeckt.
Bezüglich mercado also: Tatsächlich wirkt der noch wie gewohnt.
Es gibt neonfarbenen Plastikquatsch für jede façon …
… die viel weniger penetrant riechende Essensecke im Süden …
… wo man überall angequatscht wird, ob man nicht essen/probieren möchte …
… den lustigen Ziehkäse …
… abhängende Tierteile aller Art …
… Wörschte und chicharron (frittierten Schweinebauch, nom nom) …
… und natürlich die Berge von frischem Obst und Gemüse, für überhaupt kein Geld. Hier zum Beispiel die Frau mit den aguacates, der man sagt für wann man die Dinger haben will und dann sucht sie einem die passende Reife/Festigkeit mit geschickten Fingern heraus.
Dann sollten die aber auch möglichst zu dem Zeitpunkt gegessen werden. Oder man macht noch flott guacamole. So wie wir am Tag drauf zum Frühstück, mit den „aguacates para hoy“, was dann aber schon der Tag vorher war.
Was mir erst diesmal aufgefallen ist, ist wie geschickt das eigentlich ist mit den floureszierenden Lampen, die überall hängen.
Zur allgemeinen Helligkeit tragen die zumindest tagsüber nicht fürchterlich viel bei.
Aber auch bei hellichtem Tag geben die den darunter liegenden Tomaten, Chilischoten und Orangen zum Beispiel so einen schönen Lichtreflex, dass alles gleich viel frischer und polierter wirkt. Der Effekt ist subtil, aber merklich. Vorallem die grünen Jalapeños wirkten so richtig einladend.
Für die Ex-Expats: Der Schrein wird auch wie eh und je gepflegt.
Mit meiner Kamera, in der Gruppe von wirklich ziemlich weißen Menschen, die wir 4,5 gebildet haben und meiner zumindest in Atlixco eher ungewöhnlichen Höhe, hab ich mich wieder einmal gefühlt wie ein bunter Hund.
Der wahre Star ist aber natürlich Lily gewesen, mit ihren knallblauen Augen und bei ihrer Mama im Tragetuch. Wo man ja eigentlich denkt, den indigenen Lateinamerikanern macht man in Sachen Tragetüchern nichts vor.
So konnte ich etwas unbeobachteter wild um mich knipsen, so wie hier den Stand wo wir uns mit neuen Früchten für den morgendlichen Obstsalat eingedeckt haben und wo auch mal die ein oder andere Mango probiert wurde.
Danach fehlte uns nur noch Koriander, der – groß wie ein Blumenstrauß – im Hintergrund von meiner Mutter gehalten wird.
Hinter uns war auf einmal irgendwie Geschrei zu vernehmen. Da war anscheinend jemand grad kräftig am Ablosen bei was auch immer die da zocken.
Wie lange halten sich eigentlich chiles poblanos? Kann man die einfach so im Koffer transportieren?
Ich muss ja überhaupt noch für die Masochisten zu Hause was kräftig Scharfes besorgen. Weiß aber noch nicht, ob in flüssiger oder getrockneter Form.
Als wir die drei oder vier Sachen, die wir eigentlich holen wollten, dann eingesackt hatten für irgendwelches Geld aus der Kaffeekasse, sind wir Richtung Westen so halb aus dem mercado raus, wo sich einige Stände mit getrocknetem Fisch, welche mit alten, bunten Zeitschriften und wieder irgendwelcher bunter Plastekrimskrams tummeln.
Zurück auf der Straße zum zócalo sind wir mitten in eine Hochzeitsprozession geraten, die alle unterwegs zu der gelben Iglesia an der Ecke waren und sich dort mit ihren Pickups auf den Hof drängelten.
Von weiten hätte man eher an redneck wedding gedacht vielleicht. Auf dem Foto sind die ganzen Laster aber leider noch nicht zu sehen, das hatte ich schon vorher gemacht.
Als wir es da durch geschafft hatten, sind wir wieder am zócalo was essen gegangen. Diesmal zwei Türen weiter bei La Perla, auf Empfehlung meiner Mutter hin. Nachdem wir wie üblich die meisten penetranten Straßenverkäufer haben ablitzen lassen, haben wir uns von einem dann doch voller Absicht belatschern lassen, der mit vielen Körben und Strohhüten um den Hals auch am Vortag schon vorbeigekommen war. Der verkaufte nämlich auch so geflochtene Schweinchen zum Umhängen.
Und da er auf Nachfrage tatsächlich ein kleines und auch noch in Lila hervorzaubern konnte, hatte er sich damit die 120$ verdient, die wir gar nicht mal mehr runtergehandelt hatten. Dafür hat Lily nun ein süßes Umhängeschweinchen, in das man Sachen durch das abnehmbare Hinterteil reintun kann, welches sie aber noch nicht haben darf, weil es abfärbt und sie ein kleiner Grobian ist, der bestimmt die Ohren abreißen würde, bevor sie richtig Spaß dran hat.
Als wir grade zurück zum Auto wollten, ist Myriam die fumarola aufgefallen, die wie am Vorabend im Sonnenuntergang zerstob.
Da war ich dann auch mal nicht der Einzige, der knipsend den schmalen Gehweg versperrte, sondern reihte mich einfach als der mit der dicksten (geborgten) Linse in die ganzen Handyknipser ein.
Auf dem Nachhauseweg waren wir noch unsere Bluttestresultate abholen.
Oh Wunder, oh Wunder, alles claro. Bestätigt und zertifiziert von Dr. Jorge Manuel, der dafür evtl. vielleicht wahrscheinlich nichtmal ein Auge auf unsere Proben werfen musste. Nur bei der Eintragung unserer Daten sind die Schwestern etwas kreativ geworden.
Anscheinend ist das auf dem deutschen Perso nicht so gut zu entnehmen, deswegen wurde aus Berlin „BERLINDE“ und aus unserer Hausnummer unsere Postleitzahl. Das müsste dann ja schon eine ordentlich große Avenida sein, auf der wir wohnen. Aber egal. Korrigieren lassen habe ich nur Myriams Geburtstag (und das hat schon 15min. gedauert), der durch deren eigene, schludrige Notation von „Tag|Monat|Jahr“ vom 2. auf den 21. gerutscht war. Dann habe ich die Damen wieder mit ihren im Empfangsraum laufenden, mexikanischen Film-noir-Romanzen alleingelassen und wir sind mit der schläfrig schlecht gelaunten Lily zurück nach Hause.